Bei einer Anhörung des Innenausschusses im Bundestag zum geplanten Fachkräfteeinwanderungsgesetz äußerten geladene Experten die Meinung, dass der Entwurf keine Verbesserung der bereits zu langen Verwaltungsverfahren bringe. Sowohl in den deutschen Auslandsvertretungen als auch bei den Ausländerbehörden und Anerkennungsstellen im Inland bliebe die Situation unverändert, wie die Sachverständigen mitteilten.

Den Gesetzentwurf zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung bewerteten sie grundsätzlich als Schritt in die richtige Richtung. Darüber hinaus betonten die Experten, dass der deutsche Arbeitsmarkt eine verstärkte Einwanderung von Fachkräften aus Drittstaaten benötigt.

Was sieht der Gesetzentwurf vor?

Laut den Plänen der Bundesregierung soll es künftig ausreichen, im Ausland eine zweijährige Berufsausbildung absolviert zu haben und mindestens zwei Jahre Berufserfahrung nachweisen zu können, um in Deutschland arbeiten zu dürfen. Eine formale Anerkennung des im Heimatland erworbenen Abschlusses ist nicht erforderlich, wenn ein Arbeitsvertrag vorliegt.

Mit einer „Chancenkarte“ sollen Ausländer mit einem nachgewiesenen „guten Potenzial“ über ein Punktesystem einreisen und vor Ort nach einer Beschäftigung suchen dürfen, auch ohne bereits einen Arbeitsvertrag zu haben.

Der Paradigmenwechsel, dass künftig Fachkräften die Einwanderung ermöglicht wird, selbst wenn der Berufsabschluss nicht vorher formal anerkannt ist, sendet das Signal nach außen, dass Arbeits- und Fachkräftezuwanderung nach Deutschland erwünscht ist, betonte Steffen Sottung als Vertreter der Arbeitsagentur. Er sieht jedoch den Bedarf für mehr Personal und eine bessere Abstimmung der beteiligten Behörden untereinander als notwendig an.

Deutscher Städtetag: Wartezeiten im Inland von bis zu vier Monaten

Engelhard Mazanke vom Deutschen Städtetag kritisierte, dass die Regelungen nicht weitreichend genug seien. Er forderte schlankere Verwaltungsverfahren, längere Aufenthaltstitel, großzügigeren Familiennachzug und Fiktionsbescheinigungen.

Es gehe darum, jährlich etwa 100.000 Menschen in das Verwaltungsverfahren aufzunehmen, doch man sei bereits jetzt „am Rande der Dysfunktionalität“. In den Inlandsbehörden gebe es Wartezeiten von drei bis vier Monaten, während es in den Auslandsvertretungen „deutlich über ein Jahr“ dauere, so Mazanke.

BDA: Ausweitung der Westbalkanregelung

Ferdinand Heinz Johann Weber vom Institut für Völkerrecht und Europarecht der Georg-August-Universität Göttingen ist der Ansicht, dass der Gesetzentwurf zu einer Überforderung der Verwaltungen führt. Die Chancenaufenthaltskarte werde höchstens für ein Jahr erteilt, was anschließend zu einem erheblichen Prüfaufwand führe.

Die komplizierten und langwierigen Verwaltungsverfahren seien ein wesentliches Hindernis für gezielte Erwerbsmigration, betonte auch die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Die Migrationsverwaltung sei bereits jetzt nicht in der Lage, ausreichend Anträge zu bearbeiten, um allen Menschen mit Arbeitsvertrag die Einreise nach Deutschland zu ermöglichen, so der BDA-Vertreter Nicolas Keller.

Zugleich forderte er die Ausweitung der sogenannten Westbalkanregelung. „Wir sollten auf Regelungen setzen, die in der Praxis gut funktionieren“, betonte er. Zudem müsse das Beschäftigungsverbot in der Zeitarbeit abgeschafft werden.

DGB: Ausbeutung muss verhindert werden

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) betrachtet Saisonarbeit und Leiharbeit kritisch. Das Risiko, in ausbeuterische Arbeitsverhältnisse einzutreten, sei in letzter Zeit ohnehin gestiegen, sagte DGB-Vertreter Gerd Wiegel. Die über die Westbalkanregelung eingereisten Arbeitskräfte seien meist in Bereichen tätig, die durch schlechte Arbeitsbedingungen und niedrige Entlohnung gekennzeichnet seien.

Eingewanderte aus Drittstaaten sollten daher grundsätzlich nach tarifvertraglichen Bedingungen beschäftigt werden. Die Fachkräfteeinwanderung dürfe nicht zu einer Absenkung von Sozialstandards führen, betonte Wiegel.

Arbeitskräfte aus Drittstaaten gewinnen, aber wie?

Um Arbeitskräfte aus Drittstaaten zu gewinnen, muss sich Deutschland drei Herausforderungen stellen, so Pau Palop-García vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung. Zum einen müssen die Menschen das Ziel haben, in Deutschland zu arbeiten und zu leben. Sie müssen jedoch auch in der Lage sein, dorthin zu gelangen.

Darüber hinaus müssen die Menschen den Wunsch haben, langfristig in Deutschland zu bleiben. Mit minimalen Änderungen könne man diese Herausforderungen nicht bewältigen, betonte Palop-García. Er bewertete das Instrument der Chancenkarte grundsätzlich positiv, sah jedoch im Entwurf zu viele bürokratische Regelungen.

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